Geschrieben von Sebastian Fehr

Anders ist auch nur eine Variante von richtig!

Im meinem letzten Blog habe ich darüber geschrieben, warum es zwar nett gemeint, aber etwas sinnlos ist, wenn man einen frisch implantierten Menschen fragt, ob er nun denn besser höre. Heute ist das Thema ein anderes, und zwar geht es darum, warum ich versuche, mein heutiges Hören nach der Reimplantation so wenig wie möglich mit meinen vorherigen Hörerlebnissen (Hören mit Naturalgehör, Hören mit Hörgerät, Hören nach Erstimplantation) zu vergleichen und warum „anders“ auch nur eine Variante von richtig ist:

 

Zunächst mal muss man verstehen, was das Cochlea Implantat macht: Eine bestimmte, zweistellige Anzahl von Elektroden (je nach Hersteller verschieden) übernimmt quasi die Aufgabe, welche zuvor ca. 15.000 – 20.000 kleine Härchen in der Hörschnecke erledigt haben: Sie wandeln Schwingungen – welche vom Mittelohr aus den Schallwellen mechanisch umgewandelt & verstärkt wurden – in Impulse um, die dann ans Hirn weitergeleitet werden. Im Hirn werden diese Impulse dann schlussendlich verarbeitet und es entsteht das höchst individuell empfundene Hörerlebnis.

 

Dass eine gewisse Anzahl von Elektroden diese von der Natur her hochentwickelte Signalverarbeitung nur schwer 1:1 erledigen kann, ist daher nur logisch. Ich vergleiche das gerne mit einem Fernseher-Bild: Während unser Naturalgehör „Ultra HD“, in 8k mit allen möglichen Tiefenzooms auflöst, sieht oder hört man – wenn das CI ein Fernseher wäre – mit dem CI halt nur mehr einen hundsgewöhnlichen Farbfernseher, der sich bei intensive Reha-Maßnahmen laufend verbessert. Trotzdem bekommt man im besten Fall alle nötigen Informationen mit und man kann auch Filme und die Fernsehsendung der Wahl auch mit diesem „Setup“ genießen. Vor einiger Zeit habe ich diesbezüglich ein Bild gebastelt, welches die Lage optisch veranschaulichen soll (mit Smartphone/tablet bitte aufs Bild klicken):

CollageCIBild

Nach einer Re-Implantation ist die Sache ähnlich: Die Elektroden sitzen nicht mehr auf der exakt gleichen Position wie vorher, deswegen verändert sich natürlich der Signaleingang und damit auch das Hörerlebnis. Das heißt aber nicht, dass man schlechter oder besser hört, sondern nur anders und man muss sein Gehirn auf das „anders Hören“ konditionieren und trainieren. Ähnlich wie der Sportler, der sich nach einer Verletzung erst wieder die Beweglichkeit und Muskelmasse antrainieren muss, "dürfen" CI oder Hörgerätversorgte ihr Hirn trainieren, um dieses an die neuen Umstände zu gewöhnen.

 

Das heißt, das Hörerlebnis verändert sich, je nach der Hörhilfe, die man verwendet. Aber heißt das nun, dass man schlechter oder besser hört? Keinesfalls – nur anders. Und an alles was neu oder anders ist, muss sich der Mensch als „Gewohnheitstier“ erst gewöhnen! Natürlich kann man nach einer Hörschädigung nicht mehr die Signalauflösung wie mit dem Naturalgehör erreichen, aber man kann in Form von Hörgeräten und CI’s wieder an Signalintensität und somit auch an Lebensqualität gewinnen, wenn man sich auf den neuen, etwas anderen „Signal-Input“ einlässt. Und deswegen ist der Vergleich meines heutigen Hörerlebnisses mit der Vergangenheit eher kontraprodukitv als hilfreich.

 

Und wie sagt schon die „Poetry-Slammerin“ Julia Engelmann treffend: „Anders ist auch nur eine Variante von richtig!“ Bis zum nächsten Blog,

 

euer Sebastian

  

 

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